Das angeberische Röhren eines knallroten Ferraris. Ein braungebrannter Bademeister mit Goldkettchen um den Hals und knallenger Badehose um die Lenden, der sein ganzes Leben lang nichts anderes tut, als an einem Adria-Strand auf und ab zu stolzieren, um deutsche Fräuleins zu verführen. Pizza, Pasta und Amore im Überfluss. Die Lippen von Donatella Versace oder wahlweise ausschweifende BUNGA BUNGA Partys.
Sobald ich das Wort Dolce Vita in den Mund nehme, scheint sich mindestens eine dieser Szenen in den Köpfen vieler meiner nordeuropäischen Mitmenschen abzuspielen. Oft folgt der Kommentar "Ahhh la Dolce Vita" in einem für mich irritierenden Tonfall, weil er unterstellt ich würde gerade ein etwas unanständiges Thema ansprechen. Dann erst fällt mir ein, dass mein Gegenüber unter dem süßen Leben in Italien etwas anderes verstehen könnte als ich es erlebt habe. Während er an hemmungsloses Dolce far niente und einen dekadenten Lebensstil denkt, der vielleicht in den 1980ern einmal en vogue gewesen ist, spreche ich schlicht und ergreifend von der italienischen Variante der so viel beschworenen Work-Life-Balance.
Bevor ich Euch in die Dolce Vita Formel einweihe, gilt es also vorab einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen:
Dolce Vita funktioniert ohne Prada, Ferrari & Co.
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Luxus und Statussymbole zum süßen Lebensstil dazu gehören. Weder das eine noch das andere ist die Quintessenz des Dolce Vita. Das Lifestyle-Geheimnis der Italiener liegt in ihrer beneidenswerte Fähigkeit auch ohne ein Übermaß an finanziellen Mitteln, die kleinsten Momente des Lebens voll auszukosten und sie ganz groß zu feiern. So wird aus einem Picknick ein Sterne-Menü und dem täglichen Sonnenuntergang ein einzigartiges Naturschauspiel.
Dolce Vita ist nichts für Coach-Potatoes
Dolce Vita und Dolce far niente sollte man nicht per se in einen Topf schmeißen. Das Hauptmerkmal italienischer Lebensart ist mitnichten das süße Nichtstun. Die meisten Römer, die ich kennen- gelernt habe, sind äußerst aktiv. Privat wie beruflich. Wenn ich alleine an Andrea, den Portiere in unserem Haus zurück denke! Jedes Wochenende ging es mit der gesamten Familie auf Erkundungstour durch Italien und jedes Mal kam er mit tollen Restaurant-Tipps zurück. Denn ohne gutes Essen wäre eine Landpartie all´italiana nur halb so schön.
Ohne Soulfood kein Dolce Vita
Gerade wenn es um das Thema Essen geht, greift man in Italien gerne zum Superlativ. Nur das Beste, Frischeste, Leckerste kommt auf den Teller. Nicht unbedingt aus der Sterneküche, sondern am Liebsten direkt aus Mama´s Kochtopf. In Italien bevorzugt man authentische Gerichte kreiert aus wenigen, dafür hervorragenden Zutaten - gewürzt mit ganz viel Leidenschaft. Qualität ist viel wichtiger als Quantität. Essen ist übrigens ein Dauerthema, das in allen Generationen eine wichtige und ernste Rolle spielt. Überall wird über Essen geredet, gefachsimpelt und diskutiert.
Dolce Vita ist Lebens-KULTUR
Dolce Vita ist kein Klischee, sondern eine lässige Lebenshaltung. Mit Stil! Und mit mehr Tiefgang, als manch ein Nordeuropäer vermuten mag. Im Alltag liegt der Focus auf den schönen Dingen des Lebens. Völlig unbewusst, allerdings mit großer Ernsthaftigkeit! Es ist fast so, als wären viele meiner römischen Bekannten bereits mit einer schicken rosaroten Brille auf die Welt gekommen, durch die sie lebenslang einen besonders klaren Blick für gutes Essen und Trinken, Mode und Design haben. Außerdem ist ein großes Interesse an Kunst und Kultur weit verbreitet. Was nicht nur zu einer Flut von Kunsthistorikern führt, sondern auch zu wunderbaren Wochenend- ausflügen, die den zahlreichen und geschichtsträchtigen Kulturstätten Italiens gelten.
Auf all das möchte ich 1345 Kilometer nördlich von Rom nicht verzichten. Wie mir das gelingt?
Ich beherzige die Dolce Vita Formel, deren Grundregeln überall ganz leicht umsetzbar sind.

Intermittierendes Jammern
Italiener haben ausreichend Grund und eine gewisse Freude daran, zu jammern und zu lamentieren. Allerdings tun sie dies nicht den lieben langen Tag. Sie regen sich einmal kurz und heftig auf, um sich den Rest des Tages auf die positiven Seiten des Lebens zu konzentrieren.
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Es lebe der Superlativ!
Ich bewundere die Fähigkeit vieler meiner römischen Bekannten, jeder Kleinigkeit etwas Großartiges abzugewinnen. Verbal schlägt sich das in der häufigen Verwendung des Superlativs wieder. Was spricht außer der Logik dagegen, zehnmal hintereinander den schönsten Tag am Meer zu verbringen, wenn man dafür zehnmal dieses Hochgefühl erleben darf.
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Ab auf Landpartie
Egal in welche Himmelsrichtung man in Italien zu einem Wochenend-Ausflug aufbricht, innerhalb kürzester Zeit stösst man auf romantische Dörfer, spektakuläre Landschaften oder tolle Sehenswürdigkeiten. Und eine Osteria oder ein Ristorante findet sich auch immer irgendwo. In Deutschland funktioniert das auch. Manchmal muss man eben nur etwas weiter fahren...
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Gerne genießen
In Italien weiß man, Gutes und Schönes zu würdigen und zu genießen. Egal ob es in einem Museum an der Wand hängt, von einem Designer entworfen oder von einem Koch auf den Teller gezaubert wurde.
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Dolce Vita für Zuhause